Die Jury hat entschieden: Das beste Gedicht des 1. Twitter-Lyrik-Wettbewerbs von literaturcafe.de und bod.de steht fest

Die Jury des 1. Twitter-Lyrik-Wettbewerbs von literaturcafe.de und BoD hat entschieden, den Preis für das beste Gedicht an Nuscha Ferber (@Nanuscha) zu vergeben.

es ist kristallklar und still/ein Kreuz, ein Zaun,/die Spitzen pietätvoll zugeschneit/während Elstern/auf einem Hasen sitzen/und fressen

Mit Zeilenumbrüchen aufbereitet (Twitter selbst stellt diese nicht dar):

es ist kristallklar und still
ein Kreuz, ein Zaun,
die Spitzen pietätvoll zugeschneit
während Elstern
auf einem Hasen sitzen
und fressen

Mit seiner lyrischen Sprache, den eigenwilligen und verstörenden Bildern ragt dieses Gedicht deutlich aus der Masse der Einsendungen heraus. Es behandelt das alte und oftmals überstrapazierte Thema der Vergänglichkeit (Vanitas), aber es wird hier nicht wie in anderen Gedichten platt, ichbezogen oder moralisch überzogen präsentiert, sondern mit Worten, die der Leserin oder dem Leser viel Raum für eigene Bilder und Assoziationen lassen. Ein im besten Sinne poetisches Werk, das nachwirkt, indem es beschreibt und nicht doziert.

Wir gratulieren Nuscha Ferber! Als Gewinnerin des Wettbewerbs erhält sie einen iPod touch. Leider hat sie sich bei uns via Twitter noch nicht gemeldet. Sie ist dort offenbar nicht sehr aktiv, denn ihr erster und einziger Tweet ist derzeit der Gewinner-Beitrag. Falls sie dies liest: Bitte @literaturcafe folgen, sodass wir per Direktnachricht Kontakt aufnehmen können, denn hier wartet ein iPod auf den Versand 🙂

Insgesamt hatte die Jury von knapp 300 eingereichten Beiträgen 283 zu bewerten, die nach der Überprüfung auf die Teilnahmeregeln verblieben waren. Eine enorm hohe Resonanz, die die Veranstalter durchaus überraschte. Alle Gedichte wurden direkt mit dem Kurznachrichtendienst Twitter verfasst und durften somit gemäß der technischen Vorgabe nicht länger als 140 Zeichen sein.

Wie bei offenen Schreibwettbewerben dieser Art üblich, war die Zahl der guten oder zumindest der »etwas besseren« Gedichte gering. So verblieben mit gelegentlich wohlwollender Betrachtung rund 60 Gedichte, die im geplanten Twitter-Lyrik-Buch entsprechend herausgestellt sein werden.

Aus der Masse der Gedichte möchten wir noch zwei erwähnen, die nach Meinung der Jury ebenfalls zu den besten des Wettbewerbs gehören. Da ist zum einen das Werk von Lothar Reese (@Lotree):

Name gesucht/ unvorstellbar geflucht/ Klingelknöpfe gedrückt/ Ein Ruf & ein Hund/ spielt verrückt Schreie aus/ der Sprechanlage/andere Etage

In entsprechender Aufbereitung:

Name gesucht
unvorstellbar geflucht
Klingelknöpfe gedrückt
Ein Ruf & ein Hund
spielt verrückt Schreie aus
der Sprechanlage
andere Etage

Eine Alltagssituation ist präzise lyrisch umgesetzt, wobei leider der letze Reim nicht ganz sauber ist, was bei der stillen Lektüre aufgrund des gleichen Schriftbildes kaum, beim mündlichen Vortrag jedoch deutlich auffällt.

Aus der Reihe der komischen Gedichte ragt das Werk von Lena Kuhlenberg (@tamarindenwald) heraus, die das Mittel der Kollage im 140-Zeichen-Raum umsetzt. Leider verlief beim Zitieren ein kleiner Fehler, da in Büchners Text der Jänner zwar gemeint, aber nicht erwähnt ist. Nachtrag: Das mit dem Zitierfehler stimmt so nicht. Zwar ist in den aktuellen Büchner-Ausgaben von dtv (Münchner Ausgabe), Diogenes, Goldmann und natürlich Reclam der Jänner nicht genannt, doch gibt es aus dem Insel Verlag ein Buch von 1982 »Deutsche Künstlernovellen«, in dem Den 20. Januar zu lesen ist und offenbar eine weitere dtv-Gesamtausgabe von 1977, in der der Jänner zu finden ist.

Den 20. Jänner ging Lenz durchs Gebirg./Da riefen die Leute:/Veronika,der Lenz ist da!/Da sagte Lenz:/ Ich kann im Leben nicht gemeint sein.

Selbstverständlich war eine Vielzahl der Werke vor allem selbstreferenziell, indem das Twittern und in einer weiteren Stufe auch das Twittern von Gedichten in den Werken selbst thematisiert wurde. Daher sollen am Schluss der Jury-Anmerkungen zu einem Twitter-Lyrik-Wettbewerb zwei der guten Gedichte stehen, die das Twittern selbst thematisieren:

Vater/sagt er/bring mehr Mut rein/oder lass es einfach gut sein/denn wenn Du beim Dichten zitterst/merkt man gleich, dass Du nur twitterst
@Zeitnehmer

Uns’re Dichter ham’s nicht leicht./Oft schon weil der Raum nicht reicht./Sie müh’n sich um den besten Satz./Und ist er da, dann fehlt der Pl
@King_Haggard

Nach der Bekanntgabe des Gewinnerbeitrags wird nun die editorische Aufbereitung der Werke für das demnächst bei BoD erscheinende Twitter-Buch vorgenommen, in dem noch mehr der gelungenen Beiträge vorgestellt werden.

Aktueller Hinweis: Das 1. Twitter-Lyrik-Buch mit allen Beiträgen ist nun in jeder Buchhandlung oder online zu bestellen.

Die Jury des Twitter-Lyrik-Wettbewerbs

Malte Bremer, literaturcafe.de
Britta Heer, BoD
Friederike Künzel, BoD
Wolfgang Tischer, literaturcafe.de

Norderstedt/Gäufelden, 31. März 2009